Die Bundesdelegiertenversammlung des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat am 18.11.2018 einen Forderungskatalog verabschiedet, in dem von der Bundesregierung eine Vorsorge- und Schutzpolitik vor elektromagnetischen Feldern gefordert wird. Unsere Bürgerinitiative bedankt sich bei allen im BUND, die mit viel Ausdauer diesen Beschluss ermöglichten, v.a. dem Bundes AK Immissionschutz, dem Bundes AK Gesundheit, dem Wissenschaftlichen Beirat und dem BUND Naturschutz Bayern. Wir regen an, dass sich in den BUND Ortsgruppen nun Arbeitsgruppen bilden, die sich mit allen Auswirkungen der Digitalisierung auf Mensch, Natur und Umwelt befassen, so wie dies im BUND KV Stuttgart schon geschieht. Dort befassen sich im AK Digitalisierung über 20 TeilnehmerInnen mit den Auswirkungen der Transformation der Städte zu Smart Cities und den Folgen auf den Ressourcen- und Energieverbrauch, das Klima, die Demokratie und die drohende Elektrosmogverseuchung durch 5 G.

Resolution

„Schutz und Vorsorge der Bevölkerung und Umwelt vor Funkstrahlung“

Die Bundesdelegiertenversammlung des BUND ruft die Bundesregierung auf, Bevölkerung und Umwelt vor hochfrequenten elektromagnetischen Strahlen durch den zunehmenden Einsatz von Sendeanlagen und Endgeräten wirksam bzw. vorsorglich zu schützen und verbindlich zu regeln. Dabei ist etwa an folgende Regelungen zu denken:

  • Bei Planung und Bau von Mobilfunk-Sendeanlagen müssen Standorte mit empfindlichen Nutzungen (Orte, die dem Aufenthalt von Personen dienen, insbesondere Kindergärten, Schulen) in der 26. BImSchV besonders berücksichtigt werden. Dazu sind deutlich niedrigere Anlagengrenzwerte und Abstandsregeln unter dem Vorsorgeaspekt vorzugeben, die – anders als bisher – auch nicht-thermische gesundheitliche Effekte adäquat berücksichtigen und verhindern helfen. Zur Planung von gemeindlichen Mobilfunkkonzepten ist eine Handreichung zu erarbeiten (1).
  • Alle Hersteller von Geräten, die mit HF-EMF arbeiten, müssen anhand verbindlicher Vorgaben verpflichtet werden, dass die Sendeleistung (z. B. bei WLAN-Routern, Babyüberwachungsgeräten) automatisch reduziert wird und die Geräte bei Nichtnutzung automatisch abschalten bzw. die Aktivierung nur im Bedarfsfall erfolgt (Minimierungsgebot).
  • Für öffentliche WLAN-Hotspots soll eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden, um empfindlicheren Personen ein Ausweichen zu ermöglichen. Am Arbeitsplatz notwendige Strahlenquellen sind nur bei Bedarf und möglichst platzweise sowie mit minimierter Strahlung einzusetzen, was vom Arbeitgeber regelmäßig zu kontrollieren ist.
  • In öffentlichen Verkehrsmitteln sind strahlungsfreie bzw. -reduzierte Bereiche einzurichten.
  • Eine auf Kinder ausgerichtete Werbung für Mobiltelefone darf nicht erlaubt sein. In Bildungseinrichtungen soll die Verkabelung Standard sein.
  • Für Spielzeug mit Funkanbindung müssen kinderspezifische Anforderungen in die Spielzeugregulierung integriert werden. Für Frequenz, Leistung und Anwendungsbereich muss eine Rahmensetzung und Überprüfung stattfinden.
  • Unverbindliche Richtwerte müssen rechtsverbindlich gemacht und um auf Risikogruppen angepasste Vorsorgewerte ergänzt werden.
  • Die zukünftig vorgeschriebenen digitalen Wasser-, Strom- und Gaszähler (SmartMeter) dürfen nicht zwingend und nicht ausschließlich per Funkmodul betrieben werden. Die Datenübertragungsintervalle sind auf das zur Abrechnung benötigte Minimum zu begrenzen.

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.

Beschlossen am 18. November 2018 in Bad Hersfeld.

Quelle: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/bundintern/verband_gremien/deligiertenversammlung/bdv_2018/bund_bdv_2018_funkstrahlung.pdf

Begründung

Längst ist bekannt, dass neben der Erwärmung von Körpergewebe durch hochfrequente Strahlung auch weitere unterschiedlich gut abgesicherte Beobachtungen zu anderen biologischen, wissenschaftlich zweifelsfrei schädlichen Effekten vorliegen. Die existierenden Immissionsgrenzwerte sollen vor den bekannten Wärmeeffekten schützen. Darüber hinaus wird auch die Beeinflussung der Hirnströme als wissenschaftlich ausreichend nachgewiesen angesehen. Für weitere Effekte, wie beispielsweise die Beeinflussung der Durchblutung des Gehirns, die Beeinträchtigung der Spermienqualität, eine Destabilisierung der Erbinformation sowie für Auswirkungen auf die Expression  von Genen, den programmierten Zelltod und oxidativen Zellstress werden deutliche Hinweise gesehen (2).

Inzwischen mehren sich die Forderungen, dass die internationalen Gremien ihre bisherigen Bewertungen revidieren sollten. So stellt Lin (3)(von 2004 bis 2016 ICNIRP-Kommissar und von 2008 bis 2012 Vorsitzender des Ständigen Ausschusses für Physik und Technik der ICNIRP) als Fazit einer Tagung des National Institute of Environmental Health Sciences fest, dass die Ergebnisse der Krebsstudie des National Toxicology Program (NTP) (4) – nahelegen, dass die derzeitigen Richtlinien zur Hochfrequenz-Exposition zum Schutz der menschlichen Gesundheit unzureichend sind. Darüber hinaus empfiehlt er, dass die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) die Forschung neu bewertet und die Einstufung der HF-Strahlung von “möglicherweise krebserregend für den Menschen” (Gruppe 2B) auf “wahrscheinlich krebserregend” (Gruppe 2A) höhergruppiert wird.

Im Zuge der Digitalisierung und damit rasant angestiegenen Anwendung und Vernetzung von Geräten durch hochfrequente elektromagnetische Felder (HF-EMF) ist in nahezu allen Lebensbereichen eine erhöhte Strahlenbelastung zu befürchten, auch durch den zunehmenden Ausbau der entsprechenden Infrastruktur (5G, Mobilfunk der 5. Generation). HF-EMF sind die Grundlage der digitalen, kabellosen Kommunikation z. B. bei WLAN-Routern, Tablets oder Smartphones im gesamten öffentlichen Raum und in nahezu allen privaten Haushalten. Hinzu kommen weitere gesundheitlich wirksame Quellen, wie Induktionsmagnetfelder, Radar etc..

Mehr als 244 Wissenschaftler und Ärzte aus 41 Ländern empfehlen inzwischen ein Moratorium beim Ausbau des 5G-Standards (5), bis Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt durch industrieunabhängige Wissenschaftler erforscht wurden. Hinsichtlich der mit 5G geplanten Nutzung zusätzlicher Frequenzbänder sieht selbst das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) noch Forschungsbedarf.

Trotzdem sollen bereits im kommenden Jahr neue Frequenzen dafür versteigert werden. 5G wird die Exposition gegenüber HF-EMF stark erhöhen, indem es zu den bisherigen Funkstandards (GSM, UMTS, LTE, WLAN, usw.) hinzukommt. Es ist zu erwarten, dass 5G zu einer massiven Zunahme der Zwangsexposition durch Funkstrahlung führt. Allein die Telekom will die Anzahl der Mobilfunkstandorte fast verdoppeln. Da diese Technologie nur über kurze Entfernungen funktioniert, werden viele neue Antennen benötigt, und die vollständige Einführung wird in städtischen Gebieten zu deren Abstand von 10 bis 12 Häusern führen (Telekom: „In den Städten sollen rund 10.000 kleine Funkzellen die Versorgung in Gebäuden erhöhen“). Auch autonomes Fahren erfordert weitere Sender. Die bisher meist deutliche Unterschreitung der (allerdings viel zu hohen) Grenzwerte wird stark verkürzt bzw. aufgehoben werden. Mit der immer umfangreicheren Nutzung kabelloser Techniken kann sich niemand mehr der Einstrahlung entziehen. Neben der erhöhten Anzahl von 5G-Stationen und -Zellen werden laut Schätzungen 10 bis 20 Milliarden Funkanschlüsse (von Kühlschränken, Waschmaschinen, Überwachungskameras, selbstfahrenden Autos, Bussen etc.) Teil des Internets der Dinge sein. Ein TA-Projekt des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages „Mögliche gesundheitliche Auswirkungen verschiedener Frequenzbereiche elektromagnetischer Felder“ (6) verfolgt u. a. das Ziel, mögliche kumulative Effekte durch gleichzeitig wirksame EMF-Quellen unterschiedlicher Frequenzen genauso zu berücksichtigen wie absehbare technische Weiterentwicklungen (z. B. Mobilfunk der 5. Generation). Es wird daher dringend notwendig sein, den Abschluss dieser Untersuchungen und die Klärung etwaiger offener Fragen abzuwarten, bevor die neuen Frequenzen versteigert werden.

(1) BVerwG Urt. v. 30.8.2012 – 4 C 1.11; NVwZ 2013, 304: Ein gemeindliches Mobilfunkkonzept mittels Bauleitplanung zur Minimierung der Strahlenbelastung durch den Mobilfunk ist zulässig.

(2) Nationales Forschungsprogramm NFP 57 2011; Schweizerische Eidgenossenschaft 2015

(3) James C. Lin (2018): Clear Evidence of Cell-Phone RF Radiation Cancer Risk. in: IEEE microwave magazine Sept./Okt. 2018, 16

(4) 25 Mio.-Dollar-Studie der US-Regierung als bisher “größtes und komplexestes Studienprogramm“ zum Thema

(5) https://www.5gspaceappeal.org/the-appeal/

(6)  http://www.tab-beim-bundestag.de/de/untersuchungen/u30300.html

Resolution als PDF: BUND_Beschluss_Funkstrahlung_m_Begruendung_181118